Wenn sie nicht gerade Highschool-Schüler:innen in Ontario, Kanada, unterrichtet, kann man Amanda Storkey gemeinsam mit ihrer Familie und Freunden auf dem Wasser finden. Das Sportfischen ist seit der Kindheit ihre Leidenschaft, die sie mit ihrem Vater teilt. Wie vertraut ihr diese Umgebung ist, zeigt sich darin, wie geschickt und sicher sie sich auf dem Boot bewegt. Inmitten der Natur fühlt sich Amanda zuhause und geborgen: Vom beruhigenden Gezwitscher der Vögel bis zum Klang der Wellen, die aufs Ufer treffen, oder dem Geräusch der Angelleine, wenn ein Fisch anbeisst – die Töne der Natur spielen dabei eine essenzielle Rolle.
Als sie mit der Diagnose Hörverlust konfrontiert wurde, hatte Amanda grosse Angst, nie wieder mit der gleichen Freude in der Natur aktiv sein zu können. Dass dies ihren Lebensstil grundlegend verändern würde. Die heute 34-Jährige befürchtete auch, dass ihr Traum, als Lehrerin zu arbeiten, geplatzt sei bevor er überhaupt richtig wahrwerden konnte. Heute würde sie gern die Zeit zurückdrehen und mit ihrem jüngeren Ich darüber sprechen, wie sich ihr Leben mit Hörverlust gestalten würde. Ihre Botschaft wäre voller Zuversicht – jener Zuversicht, die sie selbst motiviert hat, nicht aufzugeben und die sie auch dazu bewegt hat, sich nun für andere stark zu machen. Sie würde sagen: «Der Hörverlust wird dich nicht einschränken. Alles wird gut.»
Ihre Laufbahn als Lehrerin hatte gerade begonnen, als sich die ersten Hörprobleme bemerkbar machten. «Es war sehr schwierig, die Fragen meiner Schüler:innen zu verstehen», so Amanda. Auch zu Hause ergaben sich Herausforderungen: «Tag für Tag drehte ich die Lautstärke überall weiter auf. Ich konnte keine Geräusche mehr hören, an die ich zuvor gewöhnt war, wie den Motor beim Fahren. Alles wurde zu einem Kampf.»
Erst nach diversen Besuchen bei ihrem Arzt und Hörakustikern bestätigte sich, dass dies kein vorübergehendes Problem war. Amanda erlitt aufgrund einer genetischen Erkrankung einen graduellen Hörverlust. Da war sie 23 Jahre alt. Seien es die Schwierigkeiten, richtig diagnostiziert zu werden, oder die emotionalen Auswirkungen der Diagnose – diese Erfahrungen waren auch der Beginn ihres neuen Weges als Fürsprecherin für Menschen mit Hörverlust.
Aufgrund ihres Alters und ihrer guten allgemeinen Gesundheit musste Amanda hartnäckig bleiben, um Zugang zu der richtigen medizinischen Versorgung zu erhalten. «Ich musste immer wieder darauf drängen, zu einem Hörakustiker gehen zu können», sagt sie stirnrunzelnd, als sie sich an die Frustration erinnert, die sie in dieser Zeit empfand. Ein Jahr geprägt von Hörtests mit stetig schlechteren Ergebnissen brachte Klarheit.
Amanda wusste endlich, womit sie es zu tun hatte, aber die Diagnose brachte auch neue Unsicherheiten mit sich: «Ich kannte niemanden in meinem Alter, der unter Hörverlust litt. Ich hatte Angst davor, was dies für meine berufliche Zukunft bedeuten würde, oder die Möglichkeit mal ein Kind zu haben, neue Kontakte zu knüpfen. Für mich war das ein Stigma und ich habe mir grosse Sorgen darüber gemacht, was die Leute von mir denken.»
Amandas Audiologe half ihr dabei, die Ängste und Gefühle der Isolation zu überwinden. An eines ihrer ersten Gespräche erinnert sie sich besonders gut, da es ihren Blickwinkel auf das Thema Hörverlust verändert hat: «Er sagte zu mir, ich solle Hörverlust nicht als etwas ansehen, das mein Leben einschränken wird.» Und Amanda fing an, über ihre Situation auch mit Menschen ausserhalb des Familien- und Freundeskreises zu sprechen. Ihre Schulleiterin war eine der ersten Menschen, denen sich Amanda öffnete. Das Gefühl der Erleichterung, ihr Schicksal teilen zu können gab ihr auch die Kontrolle über ihre Situation zurück.
Ihre Erfahrung mit Hörverlust führte bei Amanda zu einigen grossen beruflichen und privaten Veränderungen. Sie erkannte, dass sie zwar gerne unterrichtete, aber von den sensorischen Anforderungen ihres Arbeitsumfeldes mitunter überwältigt war. Allein die Anzahl der Schüler:innen, die in ihr Klassenzimmer kamen, verursachte einen anstrengenden Pegel von Stimmen und Lärm. Heute arbeitet Amanda mit kleineren Gruppen und unterrichtet Jugendliche, die besondere Unterstützung benötigen. Nachdem sie selbst wieder die Schule besuchte, um die amerikanische Gebärdensprache zu erlernen, ist sie nun auch zweisprachig. Man sieht das Leuchten in ihren Augen, wenn sie beschreibt, dass sie mit Gehörlosen nun durch Gebärdensprache kommunizieren kann. Zukünftig möchte sie mit Menschen jeder Altersgruppe arbeiten, die Hörverlust oder eine anderweitige Behinderung haben.
Nachdem sie ihre eigene Stimme gefunden hatte, begann Amanda nach Möglichkeiten zu suchen, diese auch einzusetzen. «Ich musste lernen, mich zu Wort zu melden, weil ich Unterstützung brauche und es verdiene, gehört zu werden», sagt sie. «Es war eine Herausforderung für mich und ich möchte, dass andere es leichter haben. Ich möchte ihnen diesen Weg ebnen.» Es ist eine Mission, die für Amanda eine zusätzliche Bedeutung hat, da das Fortschreiten der genetischen Erkrankung in ihrer Familie es wahrscheinlich macht, dass ihre Kinder ebenfalls davon betroffen sein werden. Sie sagt: «Wenn ich eine Tochter habe, die an Hörverlust leidet, möchte ich, dass sie weiss, dass sie alles erreichen kann, was sie will. Genau wie ihre Mutter.»
Bezeichnenderweise setzt Amanda auf Bildung und Aufklärung, und dafür nutzt sie die sozialen Medien. Sie hat durch das Sportfischen eine Fangemeinde auf Instagram gewonnen – dort ist sie unter dem Namen al87_outdoors zu finden. «Die Leute interessieren sich für die Dinge, die mir Spass machen, und ich nutze dieses Interesse, um Hörverlust zum Gesprächsthema zu machen», so Amanda. «Ich denke, es hilft anderen zu sehen, wie die Hörtechnologie meine Lebensqualität verbessert hat.»
Sie möchte jedoch mehr tun, als Menschen mit Hörverlust in ein anderes Licht zu stellen. Sie will auch den Zugang zur Hörversorgung und Technologie verbessern. «Die Menschen sollten Zugang zu professioneller Beratung haben, weil ihnen dies durch diese Erfahrung hilft», erklärt sie. «Hörverlust ist nicht für alle gleich. Man muss Gelegenheit haben, Fragen zu stellen und Feedback zu geben, was mir selbst sehr geholfen hat.»
Durch ihren beidseitigen Hörverlust muss sich Amanda auf ihre Hörgeräte verlassen können, und sie spricht offen über Schwierigkeiten, sich an das Tragen zu gewöhnen und die richtige Passform zu finden. Sie muss lachen, wenn sie sich an die Anfänge erinnert: «Ich war jung und eitel, also begann ich mit diesen winzigen Hörgeräten, weil ich nicht wollte, dass jemand weiss, was mit mir passiert». Obwohl sie sie unter ihren Haaren versteckte, brachten ihr diese Hörgeräte Freude an all jenen Geräuschen zurück, die Amanda so gefehlt hatten. Als sich ihr Gehör weiter verschlechterte, musste sie eine passendere Lösung finden: «Ich verstand meine Hörbedürfnisse mit der Zeit immer besser, und das gab mir mehr Selbstvertrauen. Ich habe drei oder vier verschiedene Geräte ausprobiert, bevor ich das gefunden habe, was ich bequem den ganzen Tag tragen kann.»
Amanda trägt ihre aktuellen Hörgeräte, Unitron Blu BTEs, von morgens bis abends. Sie sind ein Teil ihres Lebens. Seit ihrem ersten Paar Hörgeräte hat sie unvorstellbare Fortschritte in der Technologie miterlebt: «Meine jetzigen Hörgeräte sind wie normale Kopfhörer, die ich von meinem Handy aus steuern kann. Ich kann Anrufe entgegennehmen und Musik geniessen. Und wenn ich im Klassenzimmer oder in einem Restaurant bin, wenn ich Live-Musik höre oder draussen unterwegs bin, passen sie sich automatisch an die Umgebung an.» Und es gibt einen weiteren Vorteil für Amanda: «Ich kann etwas, was andere Menschen nicht können; ich kann die Lautstärke eines Gesprächs regeln oder meine Ohren einfach ausschalten.»
Zu Beginn ihres Hörverlustes dachte Amanda oft über ihre Zukunft nach: in den seltenen ruhigen Momenten in der Schule oder beim Blick über das Wasser, während sie darauf wartete, dass ein Fisch anbeisst. Es war eine Zukunft, die dann ganz anders kam als erwartet. Amanda war sich darüber im Klaren, dass der Hörverlust ihr Leben verändern würde. Was sie nicht vorhergesehen hatte, waren neue Fähigkeiten, neue Träume und ein neues Selbstwertgefühl. Sie beschreibt ihre Reise dahin mit ihrer typischen Positivität.
«Das hat das Leben so viel tiefer und bunter gemacht. Es hat mein Leben nur bereichert», so Amanda. «Deshalb möchte ich meine Geschichte teilen. Die Menschen sollen erfahren, dass Hindernisse oft zu Chancen führen.»